Die Leiterin der Inlandredaktion der «NZZ» diagnostiziert in einem Artikel über den Boykottaufruf der Jungen SVP gegen die UBS eine «Gegenrevolution gegen die woke UBS». Der «Blick» stellt fest, die «Woke-Kultur» bringe die Junge SVP auf die Palme. Der JSVP-Präsident spreche gar von einer radikalen Ideologie, die allen vorschreiben wolle, wie sie zu leben hätten.
Schweizerzeit, 19. August 2022
von Hans Geiger, em. Professor für Bankenwesen, Weiningen ZH
Die Aktion der Jungen SVP ist für alle ein publizistischer Grosserfolg: Die UBS erhält in den grossen Medien endlich die verdiente Aufmerksamkeit für ihre Politik der «Diversity». Im Verhaltens- und Ethikkodex, gewissermassen die Bibel (oder der Koran) der Bank, steht, dass die Bank bestrebt sei, Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen anzuziehen, «unabhängig von deren Status, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Geschlechtsausdruck, Nationalität, Alter, körperlichen Einschränkungen, sexueller Orientierung oder Religion». Bemerkenswert ist, dass von den zehn Kriterien deren vier etwas mit Sex zu tun haben. Das ist echt woke.
Diversity wird nicht nur im UBS-Kodex grossgeschrieben. Auch der Konzernchef persönlich engagiert sich inmitten der UBS-Delegation an der Zurich Pride im adretten Regenbogen-T-Shirt auf der Onlineplattform von «Mannschaft Magazin», dem Magazin der LGBTIQ- und Schwulen-Community. Das ist echt woke.
Eigentlich müsste sich die UBS bei der Jungen SVP mit einem substanziellen Sponsoring bedanken, denn ohne ihren Vorstoss wäre ihre wegweisende DiversityPolitik im allgemeinen Gender-Geschrei der Medien untergegangen.
Erfolg für die Jungen
Auch für die Junge SVP ist die Aktion ein publizistischer Grosserfolg. Wann hat eine Jungpartei eine vergleichbare Beachtung gefunden, und zwar nicht nur in den eigenen Reihen, sondern im gesamten Spektrum der Gesellschaft? Selbst die Parteigrössen der «alten SVP» könnten auf ihre Jungmannschaft neidisch werden. Da kann man nur sagen: Weiter so! Und andere bürgerliche Kreise müssen dem Beispiel folgen.
Die Vorwürfe der JSVP
Die Jungen werfen der Grossbank politischen Aktivismus vor. Die UBS engagiere sich vehement für die intolerante und zu Gewalt neigende Woke-Kultur und erlasse abstruse und schädliche Woke-Vorschriften. Besonders kritisieren sie interne Sprachvorschriften für eine genderneutrale Kommunikation. Erwähnt wird ein Katalog von negativ behafteten «maskulinen Wörtern», die zu vermeiden seien. Der Katalog ist abstrus. Der «Blick Online» hat daraus Auszüge publiziert. Ein Beispiel: Die UBS will künftig auf «Intellekt» verzichten und stattdessen «Verstehen» schreiben. Noch nie habe ich gehört, «Intellekt» sei typisch männlich. Auf diese Idee kann doch nur ein durchgeknallter Macho kommen. Intellektuelle Frauen dürften an der Interpretation der UBS keine Freude haben. Mit ihrer Vorliebe für Pride und Transgender will die UBS gemäss der JSVP «einer verschwindend kleinen, aber teilweise aggressiv auftretenden Minderheit» dazu verhelfen, grossen Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu nehmen.
Toleranz für Intolerante
Mit ihren Sprachverrücktheiten fördert (und fordert?) die UBS bei einer Mehrheit Toleranz gegenüber einer intoleranten Minderheit. Auf längere Sicht ist das keine gute Idee. Irgendwann kann das kippen: Intolerante Mehrheiten gegen Minderheiten. Das käme nicht gut. Jesus hat in der Bergpredigt dem alttestamentarischen «Aug um Aug, Zahn um Zahn» eine Absage erteilt und gefordert, dem, der dich auf die rechte Wange schlägt, auch die andere hinzuhalten. Ob die UBS indirekt eine solche christliche Botschaft fördern will, scheint offen. Für die bürgerliche Gesellschaft dürfte das Prinzip «wie du mir, so ich dir» im Guten wie im Schlechten eine brauchbare Regel sein.
Scheinheiliges «Pinkwashing»
Mit ihrem Vorstoss möchte die Junge SVP «die UBS dazu ermutigen, ihrem Geschäft nachzugehen und den scheinheiligen politischen Aktivismus bleiben zu lassen». Ob die Bank wirklich «scheinheilig» ist, wäre jedoch zu hinterfragen. Betreibt die UBS einfach «Pinkwashing»? Darunter versteht man eine Strategie, mit der die Bank durch die angebliche Identifizierung mit der LGBT-Bewegung modern, fortschrittlich und tolerant wirken will. Zweifel scheinen angebracht. Das persönliche Engagement des Konzernchefs und die skurrilen Aussagen im Verhaltensund Ethikkodex weisen eher auf eine Überzeugungstäterschaft hin.
Mit dem ersten Teil ihrer Ermutigung hat die Junge SVP aber sicher recht: Die UBS soll ihrem Geschäft nachgehen, für Mehrheiten und Minderheiten gleichermassen.